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Rezension von Anne Zegelman

Rezension von Anne Zegelman

Wenn sie sich das Leben ihrer Mutter anschaute, fand sie Verheiratetsein nicht besonders attraktiv. Sie wollte lieber ein Referat schreiben als einen Rinderbraten schmoren.

Ein fast normales Paar (Uta Franck)

Das denkt Maren, Biologie-Studentin in den 60er Jahren, die kurz davor ist, ihren Freund zum ersten Mal mit nach Hause zu bringen. Sie hat den jungen Chemie-Assistenten Max an der Uni kennengelernt, findet ihn nett und macht sonntags gern Ausflüge mit ihm. Ans Heiraten denkt sie überhaupt nicht, doch dafür alle anderen. Der gesellschaftliche Druck wird schnell riesengroß, dabei möchte Maren nur eins: Lernen und später als Biologin arbeiten. Dazu braucht sie Freiraum, eingeengt war sie im Elternhaus lang genug. Sie mag Max, auch wenn er schludrig und chaotisch, irgendwie unzuverlässig ist. Doch dann wird Maren schwanger – und ihr Lebensweg scheint vorgezeichnet.

Maren ist die Protagonistin des neuen Romans „Ein fast normales Paar“ von Uta Franck. Es ist ein Buch für alle, die den Automatismus des Kennenlernens-Heiratens-Kinderkriegens hinterfragen, weil sie misstrauisch sind. Auch zwei meiner Bücher handeln ja von diesen Fragen, und ehrlich gesagt finde ich diese Entscheidungen auch im Jahr 2023 noch schwierig genug. Aber wenigstens sind es Entscheidungen, die wir selbst treffen können! Uta Franck bringt die für mich sehr spannende Perspektive eines anderen Jahrzehnts ein, in dem einfach erwartet wurde, dass ein Paar heiratet und die Frau sich um den Haushalt und die Kinder kümmert.

Maren stellt nach der Hochzeit und der Geburt des ersten Kindes fest, in eine Falle geraten zu sein, die eine weitere persönliche Entwicklung unmöglich macht, weil jegliche Unterstützung von Ehemann und Gesellschaft fehlt. Doch Maren findet Wege, findet Lösungen: Sie studiert, während ihr Sohn schläft, und schafft noch viel anderes im Alleingang, das sie in ihrer Siedlung nach und nach zum Vorbild für andere Hausfrauen macht.

Uta Franck hat ein fein-psychologisches Buch geschrieben, das Maren über fast 20 Jahre begleitet – und das an vielen Stellen betroffen macht. Man spürt Marens Verzweiflung, aber zugleich auch ihren Hunger aufs Leben, ihre Kraft, die Liebe zu ihren Kindern und die Wut auf ihren Mann. Maren ist eine moderne Protagonistin, die zugleich ein Opfer ihrer Zeit wurde. Ihr Fehler war die Hochzeit; ohne weiteres traut man ihr zu, ihr Kind allein großzuziehen. Die Erzählsprache ist norddeutsch-zurückhaltend wie der Charakter der Protagnistin; es muss viel passieren, bis es in Maren hochkocht, in vielen Situationen bleibt sie ruhig-pragmatisch, wenn ich schon an die Decke gegangen wäre. Ein bisschen ist es auch ein Lehrbuch über Geduld und darüber, die Nerven zu behalten. Denn es stimmt: Wer sich von den eigenen Gefühlen und der eigenen Verzweiflung überwältigen lässt, ist weniger handlungsfähig.

„Ein fast normales Paar“ ist ein Buch für ältere Frauen, die manches der eigenen Geschichte darin wiedererkennen, aber auch ein Buch für jüngere Frauen, die daraus lernen, dass nicht alles immer so war wie jetzt – und dass manches sich nicht geändert hat. Es ist im Verlag Ralf Liebe erschienen, hat 176 Seiten, ist in Leinen gebunden und kostet 20 Euro. Hier gibt es weitere Infos.

Quelle: Dezembra.Blog