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Ein fast normales Paar

Leseprobe von "Ein fast normales Paar"

Max hatte ganz andere Sorgen.

„Wir müssen es unseren Eltern sagen und die Hochzeit hinter uns bringen“, sagte er. „Dann brauchen wir eine Wohnung. Dafür haben wir kein Geld. Und Möbel können wir uns auch nicht anschaffen.“

Wenn Maren ehrlich war, interessierten sie Wohnung, Möbel und derart praktische Dinge überhaupt nicht. Offensichtlich brauchte man das alles, wenn man heiratete und ein Kind bekam. Na gut. Irgendwie würde es schon funktionieren.

„Wir können ja möbliert wohnen, bis du anfängst zu arbeiten und Geld verdienst.“

„So wird es wohl werden“, sagte Max. „Keine Sparkasse der Welt gibt uns Kredit, da wir kein Einkommen haben.“

„Das gilt doch nur noch für kurze Zeit, Max. Es dauert nicht mehr lange, bis du mit deinem Doktor fertig bist.“

Max stöhnte.

„Hat sich deine Regel eingestellt?“

„Nein, darauf brauchen wir nicht mehr zu hoffen.“

„Am Sonnabend fahre ich zu meinen Eltern. Ich werde Ihnen alles erklären und du kommst dann am Sonntag nach.“

Warum muss Max seinen Eltern die Situation allein erklären? Warum nimmt er mich nicht gleich mit?

Als hätte er ihre Gedanken erraten, sagte er:

„Es ist besser, wenn ich meinem Vater deine Schwangerschaft schonend beibringe. Er ist in seinen Reaktionen unberechenbar. Meine Mutter wird sich freuen.“

Dass an einem Mann immer eine ganze Familie hängt, dachte Maren resigniert, aber bei mir ist es ja nicht besser.

„Meine Mutter wird unsere Zukunft nur schwarz sehen.“

 

Frau Grünert empfing Maren überschwänglich, bot ihr gleich das Du an und zog sie in ein kleines Zimmer.

„Schau mal, ich habe gestern Abend schon angefangen zu stricken. Eine Ausgehuniform, ein Jäckchen und ein Mützchen.“

„Hallo, das ist mein Baby“, revoltierte Maren innerlich. „Wie kommst du dazu, noch vor mir mein Kind zu bestricken?“

Maren fühlte sich, als wenn ihr das Ungeborene gestohlen wurde.

„Und hier ist das Hochzeitkleid von Max‘ Schwester. Du kannst es haben. Es muss ja jetzt alles schnell gehen. Ist doch hübsch, nicht?“

„Ich glaube, dass mir meine Eltern ein eigenes Kleid kaufen werden.“, sagte Maren verstört. Wohin war sie geraten? Wollte ihre Schwiegermutter sie demütigen? Sie war doch keine Asoziale, die von ihr Almosen annehmen musste. Sie meinte es vielleicht gut, war aber unglaublich taktlos. Sie fing an, ihre Schwiegermutter zu hassen.

Ihr Schwiegervater war zu ihr freundlich zurückhaltend. Das empfand Maren der Situation angemessen. Angenehmer als diese aufdringliche Mutter.

Beim Kaffeetrinken am Nachmittag besprachen sie den Hochzeitstermin, die einzuladende Gäste und andere wichtige Einzelheiten.

„Ihr braucht Eheringe. Hast du schon daran gedacht, Max?“, fragte seine Mutter.

Darauf wird ihr Göttersohn wohl noch allein kommen, spottete Maren innerlich.

„Weißt du, über Tante Monika mit ihrem Schmuckgeschäft, kannst du im Großhandel einkaufen.“

Max fand die Idee gut, möglichst billig an die Ringe zu kommen. Er telefonierte mit seiner Tante und vereinbarte einen Termin am Dienstagabend in Kiel.

Maren sah ein, dass Max vernünftig mit seinem Geld umgehen musste. Aber musste er unbedingt an den Eheringen sparen?

Maren, du bekommst die gesamte Babyausrüstung von Max‘ Schwester. Du kannst sie wieder zurückgeben, wenn sich bei ihr noch einmal ein Kind anmeldet. Zwei Jungen haben sie schon. Aber ihr Mann möchte unbedingt noch ein Mädchen.“

„Ich will dieses Babyzeug nicht haben. Für mein Kind brauche ich Windeln, die mir selbst gehören.“

Maren stand auf und rannte aus dem Wohnzimmer.

Wann endlich hört diese Frau mit ihren Vorschlägen auf? Es geht um Max und mein Leben, nicht um ihr eigenes. Maren zog ihren Mantel über und verließ das Haus. Die Schwiegereltern kann man sich nicht aussuchen, dachte sie. Ich werde höflich und so zurückhaltend sein, wie mir irgend möglich ist. Ob sie Max Freundin auch vergrault hat? Mich wird sie nicht wieder los. Ich erwarte ein Kind.

„Während der Schwangerschaft ist eine Frau etwas empfindlich“, empfing sie Max Mutter, als sie zurückkam.

„Von Max habe ich erfahren, dass er ein Mädchen haben möchte. Ich habe es im Gefühl. Es wird bestimmt ein Mädchen.“

Von diesem Augenblick an wünschte sich Maren brennend, dass sie einem Jungen das  Leben schenken würde.

„Ich muss noch sehr fleißig sein, damit ich vor der Geburt mit den praktischen Untersuchungen für meine Diplomarbeit fertig werde“, erklärte sie.

„Warum willst du noch studieren?“, sagte ihre Schwiegermutter.“ Du hast doch jetzt den edelsten Beruf der Frau.“

Maren sah sie fassungslos an.

„Und wozu bin ich zur Schule gegangen und habe jahrelang Vorlesungen gehört, gelernt, experimentiert, Referate geschrieben?“

Zum ersten Mal in ihrem Leben spürte Maren, welch unterschiedliche Maßstäbe immer noch an Mädchen und männliche Wesen gelegt wurden. Wie hätte wohl die Reaktion dieser Mutter ausgesehen, wenn Maren verlangt hätte, Max solle mit seiner Doktorarbeit aufhören, es bringe sowieso nichts, sein Diplom hätte er ja schon, er solle anfangen, Geld zu verdienen.

Das sei jetzt angesagt.

Ein fast normales Paar