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Gedichte aus "Wo der Hahn kräht"

von Uta Franck

Am Liederbach

Ich wohne
wo einst
der Ofterdingen sang.
Ein Birnbaum
wächst im Garten.
Der Wolf bellt
auf dem Dach
und die Alte
holt Bier
aus der Kneipe.
Eisblumen am Fenster.
Die Glocken läuten
wenn jemand stirbt.
Wo ich wohne
kräht der Hahn
wenn man sich liebt.


Frühling

Das Lied des Buchfinks explodiert
spann an den goldnen Wagen
die Amsel geht mit schwarzem Frack
im Märzenwasser baden
im Hochzeitskleid zur Balz bereit
will ich zur Hölle fahren.

Morgens mittags und abends

Wo ich wohne
gibt es noch
morgens mittags
und abends.
Morgens steht man auf.
Mittags ißt man warm.
Abends schließt man  
die Haustüre ab.
Die Wäsche darf nicht über Nacht
auf der Leine hängen.
Sie könnte gestohlen werden.
Die südliche Frau
im erleuchteten Fenster
bügelt abends.
Aber der Türke
von nebenan
sitzt jeden Tag
in der Sonne
und pflückt
die Birnen nicht.
Ein Mädchen ruft
pausenlos: Monique.

Wo der Hahn kräht

Kaiserslautern 1990

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